Betrug im Internet: ein Beispiel
Ich bekomme einen Anruf von der chinesischen Telekom, dass mein Telefon jetzt stillgelegt wird. Fuer Einsprueche und Fragen solle ich die „1“ waehlen. Das mache ich. Dort bittet man mich um etwas Geduld, man muesse mal kurz nachschauen. Ahja, stimmt. Aber es handelt sich dabei nicht um das Telefon, dass ich gerade benutze, sondern um meinen Anschluss in der Wohnung im Baoshan Bezirk. „Ich habe dort aber keine Wohnung und auch kein Telefon“ erwidere ich etwas genervt. „Moment mal: Sie sind doch die sowieso......Aber dieser Anschluss in Baoshan wurde auf ihren Namen angemeldet!“ Nach einigem hin und her bietet die Telekom mir an, meinen „Fall“ an die Polizei weiterzuleiten, schliesslich werde mein Name missbraucht. Ich solle jetzt das Haus nicht verlassen, die Polizei wuerde sich gleich wegen weiterer Nachforschungen bei mir melden. Und wirklich: ein paar Minuten spaeter ruft die Polizei vom Baoshan Distrikt bei mir an. „Haben Sie irgendwann mal ihren Pass kopieren lassen?“ fragt der Beamte mich. „Natuerlich, muss ich doch!“ antworte ich.
In China muessen naemlich alle Auslaender eine Kopie ihres Passes bei der oertlichen Polizei und beim Wohnviertl Management hinterlegen. Ausserdem wurde mein Pass schon unzaehlige Male bei anderen Gelegenheiten kopiert. Es ist auch so, dass hier fuer viele Angelegenheiten die Kopie des Passes genuegt. So kann man mit der Kopie eines Passes zum Beispiel eine Wohnung mieten, ein Telefon anschliessen lassen, ein Bankkonto eroeffnen und noch vieles mehr. Meine Schwiegermutter und auch meine Haushaelterin benutzen grundsaetzlich nur Passkopien, um das Original zu schonen.
Kurz: der Beamte erklaerte mir, dass also jemand die Kopie meines Passes missbraucht habe, um a) eine Wohnung im Baoshan District zu mieten (er hat mir sogar die genaue Adresse gesagt) und dort ein Telefon anschliessen zu lassen. Ausserdem wuerden mehrere Konten unter meinem Namen gefuehrt. Ich musste dann feststellen, dass ich auch diese Konten nicht selber eroeffnet habe. Ob ich keine Angst haette, dass dieser Betrueger nun mit der Kopie meines Passes auch auf meine richtigen Konten zugreife? Klar, hatte ich Angst. So empfahl mir der Beamte mein Geld auf ein spezielles Sicherheitskonto zu ueberweisen. Er wuerde mir helfen, mit der Agrarcultur Bank Kontakt aufzunehmen und moeglichst rasch die notwendigen Schritte einzuleiten. Ausserdem machte er mich darauf aufmerksam, dass die Polizei bereits wegen meinem „Fall“ ermittele und dass ich waehrend der Ermittlungen Schweigepflicht haette.
Ich war misstrauisch. „Wenn mein Fall wirklich so wichtig ist, warum kommt ihr denn dann nicht persoenlich bei mir vorbei? Woher soll ich denn wissen, ob Sie wirklich von der Polizei sind?“ „ Kennen Sie die Nummer 114?“ fragte mich der Beamte. Die Nummer 114 ist in China die Telefon Auskunft. „rufen Sie dort an und fragen Sie nach der Nummer von der Polizei Station im Baoshan Distrikt“ . Das habe ich gemacht und dann festgestellt, dass die Nummer, die die Telefonauskunft mir gesagt hat, genau mit der Nummer in meinem Telefon Display uebereinstimmt. Daraus schloss ich, dass der Beamte also wirklich von der Polizeistation in Baoshan angerufen hat. Nachdem ich alle Telefonnummern (China Telekom, Polizeistation und Agricultur Bank) nachgeprueft hatte und festgestellt hatte, dass sie mit den Nummern, die mich angefufen haben uebereinstimmen, fing ich langsam an die Geschichte zu glauben. Spaeter hat mir dann die richtige Polizei gesagt, dass es sich bei dieser Geschichte, um einen in China inzwischen ziemlich populaeren Internet Betrug handele. Die Telefonnummern koennen mit einer Computersoftware gefaelscht werden. Da es in China falsche Paesse wie Sand am Meer gibt, bleiben solche Internet Betrueger unentdeckt. Denn das sogenannte Sicherheitskonto ist mit einer Passkopie, beziehungsweise mit einem gefaelschten Pass eroeffnet und so kann der Besitzer nicht ermittelt werden.
Labels: China spezial, Deutsche in Shanghai, Geld, Internet, my home
10 Kommentare:
Eine unglaubliche Geschichte, die leider wahr ist.
Krass! Ich hoffe, dein Schaden war begrenzt!
Doch ein Vorteil, nicht richtig gut Chinesisch sprechen zu können... das müssen die doch gewusst haben, oder warum haben die dich angesprochen?
Oder hätte das mit jedem Chinesen auch geklappt?
Oha, Wahnsinn wie schnell sowas gehen kann.
Meine Frage aber: war der Polizist, der angerufen hat, denn nun echt oder nicht? Hat der die Nummer gefälscht gehabt? Und wollten die dein Geld bekommen über dieses Sicherheitskonto?
also, dieser Polizist sowie der Mann von der Agricultur Bank waren Betrueger und nicht echt. Das sogenannte Sicherheitskonto war ein von den Betruegern eroeffnetes Konto. Mein Fehler: ich habe die Nummern nie zurueckgerufen, sondern bin immer nur angerufen worden.
Natuerlich waere das nicht passiert, wenn ich kein Chinesisch sprechen koennte. Es werden hier sehr viele Chinesen auf diese und aehnliche Weise uebers Ohr gehauen. Wenn ich mehr Fernsehen wuerde, waere mir diese Geschichte wahrscheinlich bekannt vorgekommen, denn im Fernsehen wird zur Zeit dauernd auf diese Betruegereien aufmerksam gemacht. Das hat man davon, wenn man so selten in die Glotze schaut...
OMG, hoffentlich hast du kein Geld dabei verloren ! Hast du "normales" Telefon oder VoIP ? Hab grad mal die Deutsche Telekom mit E-Mail gefragt ob sowas hier auch moeglich ist... Hatte bislang nur davon gehoert/gelesen (Fraunhofer Institut) dass die Zahl von Spam Anrufen via VoIP dramatisch ansteigen soll und bleibe allein deswegen bei meinem Analog-Anschluss.
@Stefan1951: Doch, leider habe ich alles Geld verloren, was auf dem Konto war....
Und nun wuerde mich wirklich interessieren, was Dir die Telekom geantwortet hat.
Und wie ist es jetzt weitergegangen?
@wuestenfuchs: naja, ich bin etwas aermer geworden und die Betrueger dafuer etwas reicher. Es war nicht moeglich die Leute zu finden und das Geld zurueckzuholen.....
Ich habe zu dem Thema etwas in einem Forum gefunden...
"Die Rufnummerkennung galt bisher als relativ fälschungssicher, wird aber durch Voice over IP immer stärker zum Zufallsfaktor. Es wird sicherlich nicht so sein, dass man bald bei normalen VoIP-Anbietern seine Wunsch-Absendernummer angeben kann, aber mit technischem Knowhow scheint es schon jetzt möglich zu sein."
und
"Dennoch ist es grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dem Angerufenen eine falsche Nummer vorzugaukeln: Voraussetzung dafür ist ein ISDN-Anlagenanschluss, der die Übergabe beliebiger Rufnummern zulässt. Damit lässt sich aber lediglich die Rufnummernanzeige des Gegenübers austricksen, nicht jedoch beispielsweise Fangschaltungen oder die Rufnummernanzeige bei Rettungsdiensten. Die dabei ausgewertete tatsächliche Rufnummer wird getrennt übertragen und ließe sich nur in der Vermittlungsstelle manipulieren."
Also gegebenenfalls allen "komischen" Anrufen misstrauen!
Ich bin auch vor kurzem auf eine Abzocke aus China reingefallen:
Bei folgendem Deal habe ich knapp 100 Euro versenkt:
Habe bei Ammon Trade Company Ltd. www.ammononline.com eine schöne Armbanduhr bestellt: Vorsicht Betrug ! Habe erst nach wochenlangem Druck überhaupt eine Tracking Nummer bekommen und als das Paket ankam war die Enttäuschung groß. Eine billige Uhr für 5 Dollar anstelle der Uhr für 80 Euro (exklusive Zoll), die ich bestellt hatte. Hat zwar ncihts direkt mit der Passabzocke zu tun, passt aber gut ins Thema Internetbetrug bzw. Abzocke made in China.
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